Lesetipp: Martin Suters Allmen; der gefallene Held

Winterzeit ist Lesezeit. Wenn die Abende länger werden, brennt in unserem Schwörer Healthy Home immer häufiger das Licht oben in der Bibliothek. Im Buchladen habe ich mich mit der Buchreihe „Allmen“ von Martin Suter eingedeckt. Ein toller Lesestoff. Anfangs. Dann habe ich mich gewundert und geärgert. Warum lässt der Autor seinen Romanhelden plötzlich zur tragischen Figur werden?

 

Das Auto ist für viele mehr Statussymbol als Fortbewegungsmittel. Und das eigene Haus? Ist meist das, was man sich eben maximal leisten kann. Dennoch sind die meisten Menschen stolz darauf und identifizieren sich mit ihm. Wie also muss sich einer fühlen, der seine pompöse Villa, weil er pleite ist, verkaufen und stattdessen im Gärtnerhaus daneben wohnen muss? Genau das mutet Schriftsteller Martin Suter seinem Romandetektiv Johann Friedrich von Allmen zu. Nun ja, akzeptiert. Aber warum zum Teufel lässt er den liebenswerten Lebemann, seinen Helden, im fünften Band so gnadenlos abstürzen? Was um alles in der Welt, hat Allmen seinem Autor nur getan?

 

Kunsträuber und -beschaffer

Gut, Allmen hat das Millionenerbe seines Vaters verschwenderisch durchgebracht. Er ist ein Aufschneider. Auch der eine oder andere Kunstraub war dabei. Als Chef der Kunstwiederbeschaffungsagentur „Allmen International Inquiries“ hat er seine Auftraggeber schon mal übervorteilt. Jedoch nur weil er musste! Herr von Allmen ist stets von ritterlicher Gesinnung! Und schließlich sind für seine steinreichen Gegenspieler ein paar Millionen mehr oder weniger kaum von Belang.

 

Der erfolgreiche Detektiv

Seit Martin Suter seinem Allmen in Band eins, „Allmen und die Libellen“, literarisches Leben einhauchte, ist der stilvollendete Kunstexperte erfolgreich. Die wertvollen Jugendstilschalen mit Libellenmotiven helfen ihm, seine Schulden zu begleichen. In „Allmen und der rosa Diamant“ kommt er sogar wieder zu Geld. Und er kann es in „Allmen und die Dahlien“ weiter vermehren.

 

Allmen am Boden

Doch dann Band vier. In „Allmen und die verschwundene Maria“ versagt der Mann von Welt und muss für die Befreiung des Entführungsopfers die Polizei um Hilfe bitten. Der nächste Tiefschlag dann in „Allmen und die Erotik“, dem fünfte Band: Allmen ist am Boden, ganz unten. Er erlag nicht nur den Reizen von Jasmin, sondern hat sich reinen Herzens in sie verliebt. Und sie? Sie spielt mit ihm, nutzt seine Gefühle aus – und fertigt ihn eiseskalt ab. Gnadenlos. Erniedrigend.

 

„Adelig vom Herzen“

Wie tief von Allmen schon vorher gesunken war, zeigte sich doch schon vorab in einem seltenen Moment der Verzagtheit. Er gestand seinem Diener Carlos, dass er gar kein Aristokrat ist, sondern von bäuerlicher Herkunft: „Mein Vater war nur ein Bauer.“ Und man spürt, dass die Antwort, „für mich schon, adelig vom Herzen“, ihm kein rechter Trost ist.

 

Allmen der Kümmerer

Immer ist Johann Friedrich von Allmen Frauen gegenüber aufrichtig und galant. Selbst die verwöhnte Jojo, gelangweilte Tochter aus schwerreichem Hause, behandelt er anständig. Von Allmen ist ein Kümmerer. Sucht weder Streit noch Gewalt. Stattdessen schämt sich der weltfremde Detektiv, Toilettenpapier zu kaufen, er kennt nicht seine richtige Badewassertemperatur und traut sich nicht, angemessene Honorarforderungen zu stellen.

 

Vom Reichsein

Wozu auch? Denn während andere meinen, es komme nicht darauf an, wieviel man verdient, sondern darauf, wie viel man ausgibt, hält der verarmte Reiche dagegen: Reichtum bemisst sich nicht an dem, was man hat, sondern an dem, was man ausgibt. Und obwohl er das sehr reichlich tut, bleibt einem dieser Typ doch sympathisch.

 

Martin Suter, warum?!

Also zurück zur Frage an Martin Suter: Warum machen Sie Johann Friedrich von Allmen so fertig. Allmen, der gefallene Held. Der Ritter von der traurigen Gestalt. Sind Sie seines mondänen Lebensstils überdrüssig? Nehmen Sie ihm die paar Verfehlungen übel? Können Sie es ihm nicht verzeihen, dass ihn die Liebe angesichts der verzaubernden Jasmin blind gemacht hat? Ich – kann – es – nicht – verstehen…