Schuhkarton-Archiv: Der Leserbrief für den Blog

Ich weiß ja nicht, wie euch das geht. Aber ich stoße dauernd auf irgendwelche interessanten Prospekte, Zeitungsartikel und andere Unterlagen, die ich gerne aufheben möchte. Nur, wohin damit? Und wie findet man die Sachen – am besten zu einem passenden Zeitpunkt – dann wieder? Mein System aus früheren Tagen ist der Schuhkarton. Das ist ein prima Archiv zum Sammeln aller möglichen Papiere. Neulich fiel mir so ein Sammel-Schuhkarton in die Hände…

Der alte Leserbrief

Beim Durchstöbern stieß ich auf einen 16 Jahre alten Leserbrief. Den hatte ich im Januar 2002 abgelegt. Natürlich wusste ich damals nicht, was ich damit anfangen sollte. Aber der Leserbrief war so super, dass ich ihn unbedingt aufheben musste. Und siehe da: Heute führe ich einen Online-Blog – eine Sache, an die damals kein Mensch denken konnte – und der ist doch die ideale Plattform, diesen genialen Leserbrief nochmals zu veröffentlichen!

 

Lesenswert

Veröffentlicht worden war er in dem Mitarbeitermagazin „Inside“ der LBBW, der Landesbank Baden-Württemberg. Geschrieben von einem gewissen Klaus Dieter Lesch. Wie gesagt finde ich den Leserbrief aktueller denn je und deshalb mehr als lesenswert. Gerade heute, im Jahr 2018. Also habe ich ihn einfach komplett abgetippt, und hier ist er:

 

„Das Wettrudern“

„Vor einiger Zeit verabredete die LBBW ein jährliches Wettrudern gegen eine japanische Bank, das mit einem Achter auf dem Neckar ausgetragen wurde. Beide Mannschaften trainierten lange und hart, um ihre Höchstleistung zu erreichen. Als der große Tag kam, waren beide Teams topfit, doch die Japaner gewannen mit einem Vorsprung von einem Kilometer. Nach der Niederlage war das LBBW-Team sehr betroffen, und die Moral war auf dem Tiefpunkt.

Der Vorstand entschied, dass der Grund für diese vernichtende Niederlage unbedingt herausgefunden werden müsse. Ein Projektteam aus den Führungskräften der Bereiche Personal, Controlling und Rechnungswesen wurde eingesetzt, um das Problem zu untersuchen und geeignete Maßnahmen zu empfehlen. Nach langen Untersuchungen fand man heraus, dass bei den Japanern sieben Leute ruderten und einer steuerte, während im deutschen Team ein Mann ruderte und sieben steuerten.

Der Vorstand engagierte sofort die Boston Consulting Group, die eine Studie über die Struktur des Landesbank-Teams anfertigen sollte. Nach einigen Monaten und beträchtlichen Kosten kamen die Berater zu dem Schluss, dass zu viele Leute steuerten und zu wenige ruderten. Um einer weiteren Niederlage vorzubeugen, wurde die Teamstruktur geändert. Es gab jetzt vier Steuerleute, zwei Obersteuerleute, einen Steuerdirektor und einen Ruderer. Zudem wurde für den Ruderer ein Leistungsbewertungssystem eingeführt, um ihn anzuspornen. „Wir müssen seinen Aufgabenbereich erweitern und ihm mehr Verantwortung geben.“

Im nächsten Jahr gewannen die Japaner mit einem Vorsprung von zwei Kilometern. Der Vorstand entließ den Ruderer wegen schlechter Leistungen, verkaufte die Ruder und stoppte alle Investitionen in ein neues Boot. Der Boston Consulting Group wurde ein Lob ausgesprochen, und das eingesparte Geld wurde dem Vorstand und den verantwortlichen Bereichsleitern ausbezahlt.“

 

Produktiv sein, statt Meetings!

Leider bleibt einem das Lachen irgendwie im Halse stecken. Denn noch immer ist die über hundert Jahre alte tayloristische Unternehmensstruktur mit (denkendem und lenkendem) Management auf der einen, und den Ausführenden (Arbeitern und Angestellten) auf der anderen Seite die übliche Firmenrealität. Ich möchte darauf jetzt selbst gar nicht weiter eingehen, sondern euch einen Buchtipp geben. „Zurück an die Arbeit! Wie aus Business-Theatern wieder echte Unternehmen werden“ lautet der vielsagende Titel der Abhandlung von Autor Lars Vollmer, der mir aus der Seele spricht – und schreibt.

 

Was passiert im Jahr 2032?

Unterm Strich steht die Erkenntnis, dass meine Schuhkarton-Archivierungs-Methode funktioniert hat. Ich habe den Leserbrief just zu dem Zeitpunkt wiederentdeckt, als ich auf das Buch stieß, das sich im Prinzip mit demselben Thema beschäftigt, wie der Leserbrief. Jetzt bin ich erstens gespannt, worauf ich noch so stoßen werde, und wie sich vielleicht auch andere Dinge fügen werden. Und: Mal sehen, was mit den Sachen im Jahr 2032 sein wird, die ich heute so in den Schuhkarton packe.