In diesem Baublog-Ratgeber möchten wir euch die Frage beantworten, wie man einen Bebauungsplan liest. Denn so ein Schriftstück ist für Baulaien ganz schön schwere Kost, doch es hilft nichts: Ihr solltet euch eingehender damit beschäftigen, weil der „B-Plan“ oft bis ins Detail vorgibt, wie ihr ein bestimmtes Grundstück bebauen dürft. Aber Achtung: Der Beitrag ist ziemlich lang und vielleicht fast so schwer verdaulich wie der Bebauungsplan selbst. Sorry.
Welche Vorschriften betreffen meinen Bauplatz?
Wichtig zu wissen: Der Bebauungsplan gibt zum einen Dinge vor, die für das ganze Neubaugebiet gelten und zum anderen auch welche, die sich nur auf eines oder mehrere Bauplätze beziehen! Man muss also schon sehr genau hinschauen.
Nehmen wir unseren Bebauungsplan beispielhaft als Grundlage für unsere Ausführungen hier im Baublog. Da haben wir zunächst den „zeichnerischen Teil“, der das ganze Baugebiet zeigt:
Hier sieht man diagonal schraffiert die bereits bestehenden Gebäude und das fett umrahmte, rot unterlegte Baugebiet. Blau eingerahmt sind die „überbaubaren Grundstücksflächen“, also die Grenzen innerhalb derer die Häuser später errichtet werden dürfen; auf den einzelnen Bauplatz bezogen, spricht man auch vom jeweiligen „Baufenster“. Zu erkennen ist auch, dass für die einzelnen Baufelder jeweils eine sogenannte Nutzungsschablone angegeben ist. Hier die aus unserem Bebauungsplan vergrößert:
Die Nutzungsschablone gibt in acht Feldern die wesentlichen Eckdaten (Art und Maß der baulichen Nutzung) für eure Hausplanung vor. Schauen wir also mal, was sich hinter diesen so wichtigen Kürzeln und Zahlenangaben verbirgt. Dabei verwenden wir bewusst auch die Fachbegriffe, damit ihr euch in „eurem“ Bebauungsplan besser zurechtfindet.
Feld 1: WA 1
In diesem Feld geht es um die Art der baulichen Nutzung, wobei „WA“ für Allgemeines Wohngebiet steht. Der Textteil dazu führt im vorliegenden Fall näher aus, dass hier Wohngebäude und Gebäude mit diversen weiteren Nutzungsarten gebaut werden dürfen; beispielsweise Läden und Speisewirtschaften. Die Zahl 1 gibt an, dass in diesem Baufeld Gebäude der Kategorie 1 zugelassen sind, die in den weiteren sieben Feldern genauer beschrieben wird.
Feld 2: o
Das Feld der Bauweise: Der Kleinbuchstabe „o“ in diesem Feld bedeutet offene Bauweise. Gemeint sind damit Einzelhäuser, die nicht auf Grundstücksgrenzen stehen. (Im Unterschied dazu würde der Kleinbuchstabe g angeben, dass es um Gebäude geht, die teilweise keinen seitlichen Grenzabstand haben.)
Feld 3: E
Das große „E“ im Dreieck steht für Einfamilienhaus. (Wären hier zum Beispiel Doppelhäuser zugelassen beziehungsweise vorgeschrieben, stünde hier ein „G“.
Feld 4: Pfg1
Das Kürzel zeigt an, dass es für die Gärten des Baufeldes und der hierin enthaltenen Grundstücke das Pflanzgebot 1 gilt. Im Textteil des Bebauungsplans machen Pflanzgebote dazu nähere Angaben und eine ergänzende Pflanzliste gibt en detail vor, welche Arten von Bäumen und Sträuchern in den Gärten zu pflanzen sind. Seltsamerweise wird das Pflanzgebot 1 in unserem Baubauungsplan erweitert durch die Pflanzgebote 2 bis 4.
Feld 5: GH = 3,65 m
GH ist die Abkürzung für die maximale Gebäudehöhe bezogen auf die maximale Erdgeschossfußbodenhöhe (EFH); in diesem Fall sind das 3,65 Meter. Damit ist allerdings nicht die tatsächliche Höhe des Hauses, also dessen Firsthöhe gemeint, sondern die Höhe der traufseitigen Dachaußenhaut genau oberhalb der Fassadenaußenfläche.
Feld 6: 0,3
Bei dem Wert 0,3 handelt es sich um die Grundflächenzahl (GRZ). Sie gibt das Verhältnis der überbaubaren Fläche zur Grundstücksfläche an und ist besonders wichtig bei kleineren Baugrundstücken. Das heißt, die Zahl gibt an, wie viel der Grundstücksfläche maximal überbaut werden darf. Beispiel: bei einem 6 Ar großen Grundstück mit der GRZ 0,3 dürfen die „baulichen Anlagen“ höchstens 30 Prozent, also 2 Ar groß werden; das betrifft das Haus, die Balkonfläche und Nebengebäude gesamt.
Feld 7: SD 35° – 40°
Erlaubt sind laut dieser Angabe Satteldächer (SD) mit einer Neigung zwischen 35 und 40 Grad, jeweils inklusive.
Feld 8: 2 Wo
Dieses Feld gibt an, wie viele Wohneinheiten das Haus haben darf. Die Abkürzung „2 Wo“ steht für zwei Wohneinheiten.
Wie viele Geschosse sind zulässig?
So, mit den Angaben in der Nutzungsschablone haben wir in unserm Baublog bereits wesentlichen Vorgaben der Hausplanung betreffend Bauweise sowie Art und Maß der baulichen Nutzung durch. Weitere wichtige Informationen finden sich im textlichen Teil des Bebauungsplans.
Elementar hier beispielsweise die Firstrichtung des Gebäudes und die Angabe zur zulässigen Zahl der Geschosse beziehungsweise Vollgeschosse, die im Bebauungsplan üblicherweise mit römischen Ziffern angegeben wird. Denn es ist klar, dass man bei einem Haus mit zwei Vollgeschossen mehr Wohnraum auf derselben Grundfläche bekommt, als in eingeschossiger oder eineinhalbgeschossiger Bauweise.
Geschossflächenzahl: Eine einfache Rechnung
Damit direkt verbunden ist die Geschossflächenzahl (GFZ). Die GFZ gibt an, wie viel Nutz- und Wohnfläche im Verhältnis zur Grundstücksfläche das Haus auf allen Geschossen haben darf. Dazu eine Beispielrechnung. Wenn ein Grundstück 400 Quadratmeter umfasst und die GFZ 0,4 vorgegeben ist, errechnet sich die maximal zugelassene Geschossfläche wie folgt:
400 Quadratmeter Grundstücksfläche mal GFZ 0,4 gleich 160 Quadratmeter Bruttogeschossfläche. Oder kurz: 400 m² x 0,4 = 160 m².
Der Kniestock schafft die Kopffreiheit
Eine weitere, fürs spätere Wohnen ganz entscheidende Kenngröße, ist die Kniestockhöhe. Diese gibt an, wie hoch die Außenwände, auf denen die Dachsparren aufliegen, auf der Erdgeschossdecke sein dürfen. Auch hierbei ist direkt einsehbar, dass einen niederer Kniestock von vielleicht 25 Zentimetern in den Dachgeschossräumen zu wesentlich weniger Kopffreiheit führt, als ein Kniestock mit einem oder zwei Metern. Oder anders ausgedrückt: Das Raumangebot ist ohne Kniestock deutlich beschränkt.
Kleines Einmaleins der Dachgauben
Mehr Stehhöhe unter den Dachschrägen – und natürlich auch mehr Licht – bringen Dachgauben. In der Regel weist der Bebauungsplan auch deren maximale Anzahl, Form und Größe aus. Siehe Zeichnung aus unserem Bebauungsplan. Anhand des Themas „Dachaufbauten und Dacheinschnitte“ wollen wir euch beispielhaft aufzeigen, wie detailliert so ein Bebauungsplan aussehen kann:
Über die Zeichnungen hinaus gab unser Bebauungsplan beispielsweise vor: Dachaufbauten
- dürfen nicht über den First herausragen
- müssen, gemessen ab Außenwand, mindestens 1,50 m vom Ortgang entfernt sein
- dürfen nicht breiter als 6,00 m sein,
- müssen allseitig von der Dachfläche umgeben sein,
- müssen senkrecht gemessen mindestens 0,50 m unterhalb des Dachfirstes in das Hauptdach „eingebunden“ sein,
- dürfen in Form von Schlepp- und Satteldachgauben maximal 30° Neigung haben,
- dürfen nicht mehr als 10 Prozent der jeweiligen Dachfläche umfassen und
- maximal halb so lang wie das Gebäude auf der jeweiligen Gebäudeseite sein.
Es schließen sich analoge Beschreibungen betreffend Zwerchgiebel und Quergiebel an…
Das „Kleingedruckte“ für den Architekten
Ansonsten regelt der Bebauungsplan viele zusätzliche Dinge, die für euch als Bauherrschaft und euren Architekten mehr oder weniger von Bedeutung sind: Farbe der Dacheindeckung, Dachantennen, Schallschutzmaßnahmen, Nebengebäude wie etwa Garage und/oder Carports/Remisen, Zahl der Autostellplätze, Entwässerung des Grundstücks, Art der Außenbodenbeläge, Gartenplanung mit Pflanzgeboten und reichlich anderes mehr.
Befreiung vom Bebauungsplan?
Eine Hoffnung gibt es allerdings, und diese stirbt ja bekanntlich zuletzt. Im Bauantrag zur Genehmigung eures Bauvorhabens gibt es einen „Antrag auf Abweichung/Ausnahme/Befreiung“, mit dem euer Architekt solche erbitten bzw. erwirken kann – falls seine Begründung dazu auf dem Amt Gehör findet.
Für unsere Photovoltaikanlage wollte unser Architekt z.B. folgendes erreichen:
„Unterschreitung des seitl. Abstandes Dachrand/Solaranlage von 150 cm auf ca. 60 cm“
Begründung:
„Die Befreiung ist gering, verletzt keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften! Aufgrund des fehlenden Dachvorsprungs reduziert sich bei der Solaranlage der seitl. Abstand. Es soll ein komplettes Solardach errichtet werden, die notwendige Ertragsgröße wäre sonst nicht gegeben.“
Ergebnis:
Antrag abgelehnt.
Zwei Fragen – und die Hoffnung auf eure Antworten!
Nach Beantwortung der Eingangsfrage oben schließen wir das Kapitel Bebauungsplan auch mit Fragen: Wer könnte wohl annehmen, dass man in Deutschland, dem Land, in dem die DIN-Normen erfunden wurden, die praktisch auf alle Bereiche unseres Lebens Einfluss haben, so bauen darf, wie man will? Siehste…!
Eine zweite Frage schließt sich an: Erlöst uns ein restriktiver Bebauungsplan vielleicht einfach vorausschauend vor der großen Qual der Wahl bei der Hausplanung? Wir freuen uns auf eure Antworten und Anregungen hier im Baublog!!